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Polizeigefangenenhaus "Liesl"

Von hier aus gab es zahlreiche Transporte in Konzentrationslager

Das Polizeigebäude wurde nach Plänen von Emil Förster 1901–1904 an der damaligen "Elisabethpromenade" erbaut, daher der Name "Liesl".

Während der Zeit des Austrofaschismus (1934–1938) und des darauffolgenden Nationalsozialismus (1938–1945) wurden hier auch zahlreiche Antifaschisten bzw. politische Gefangene inhaftiert. Prominente Häftlinge waren unter anderen der spätere Bundeskanzler Bruno Kreisky, Ceja Stojka, Margarete Schütte-Lihotzky, Käthe Sasso, viele Mitglieder der Gruppe 40, die Gewerkschafter Franz Olah und Otto Skritek, der vormalige Wiener Gesundheitsstadtrat Julius Tandler.

In der NS-Zeit wurden die meisten der Regimegegner von hier zum Verhör ins nur acht Häuserblöcke entfernte Gestapo-Hauptquartier im ehemaligen Hotel "Metropole" am Morzinplatz gebracht

Vom Polizeigefangenenhaus aus erfolgte auch der erste Abtransport von 150 Östereicher:innen in das KZ Dachau: Die Gefangenen, die am 1. April 1938 im Polizeigefangenenhaus aufgerufen wurden, wussten vorerst nicht, was mit ihnen geschehen würde. "Allgemein ist die Ansicht, dass die Aufgerufenen aus der Haft entlassen werden sollen", beschreibt der vormalige Sportjournalist Maximilian Reich die damalige Situation "zwischen Hoffen und Bangen". Die Häftlinge wurden in Überfallautos gepfercht, die die Wiener Ringstraße entlang fuhren: "Da biegen die Wagen in die Mariahilfer Straße ein und nehmen Kurs zum Westbahnhof. […] Da plötzlich schreit einer mit Wahnsinnsstimme: 'Nach Dachau! Ins Konzentrationslager!'"

Der "Prominententransport" war nur der Auftakt für beispiellose Repressionen, Deportationen und Massenmorde in der Geschichte Österreichs. Dem ersten Dachau-Transport aus Österreich folgten bald weitere Transporte, und nicht nur nach Dachau, sondern auch in andere Konzentrationslager wie Mauthausen.

Zitate

  • "Das Wort Hass gibt es für mich nicht. Aber es hätte uns sehr gefreut, wenn die Täter faire Prozesse bekommen hätten. Und wenn einer von ihnen gesagt hätte: Es tut mir leid, was ich gemacht habe, ich bereue es."

    Käthe Sasso (geb. 1926)
  • Auszug aus Kreiskys Tagebuch während der Haft in der Rossauerlände/Landesgericht:

    "27. Juni 1935

    Es ist in meiner kleinen Zelle jetzt schrecklich schwül. In den Nächten kann man fast nicht schlafen. Da liegt man auf dem Rücken, starrt durch das Gitter am Fenster in den Himmel und denkt an das, was man schlecht gemacht hat in seinem Leben, und es war sehr viel!, denkt, was wohl der und jener treiben mag. (…) Was werde ich nur anfangen, wenn ich wieder einmal draußen bin? Soll’s wirklich aus sein mit der Juristerei? Mit 25 Jahren wieder von vorne anfangen? Dann sehe ich mich in der Verhandlung, der Kämpfer erwacht in mir. Ich will und werde mutig sein – das weiß ich. Ich werde zu meinen Richtern treten und ihnen von meinem Leben erzählen, wie die herrliche Jugendbewegung zum Lebensinhalt für mich geworden ist, was sie aus mir gemacht hat. Ich werde mein politisches Bekenntnis ablegen. (…) Ich darf meiner Lebenshaltung nicht untreu werden. Das bin ich mir schuldig und vor allem aber all denen, die an mich glauben. Hat ein Schwimmer, wenn er Wasser in den Mund bekam, aufgehört zu schwimmen, nein, er wollte ja nicht untergehen, er wollte oben bleiben. Ich will oben bleiben! Ich will!"

    Bruno Kreisky (1911-1990)
  • Schütte Lihotzky über Maria und Rudolf Fischer: "In der Zelle unter mir saß lange Zeit Marie Fischer, von uns 'Mitzi' genannt. Sie wurde zusammen mit ihrem Mann Rudolf Fischer im April 1941 verheiratet. Im März 1943 traf sie dasselbe Fallbeil im Wiener Landesgericht, das zwei Monate zuvor ihren Mann getötet hatte. Als Mutter und beste Freundin ihrer zehnjährigen Tochter, bereitete sie ihr Kind schon während ihrer politischen Arbeit darauf vor, dass eines Tages Mutter und Vater von der Gestapo geholt werden könnten, weil sie dafür kämpften, dass sie und alle Kinder glücklichere Menschen werden könnten. Sie erzählte viel von ihrem Töchterchen durch das Rohr. Sie schloss den Abschiedsbrief an ihren Mann, der zu dieser Zeit wie sie in der Todeszelle saß mit den Worten: 'Es küsst dich und drückt Dich innig ans Herz, in unerschütterlicher Liebe und im Glauben an die Zukunft, Deine Mitzi.'"

    Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000)
  • Schütte Lihotzky über ihre Inhaftierung im Polizeigefangenenhaus in der Schiffamtsgasse: "Über den Klosettstrang feierten wir auch den 1. Mai 1942, zwölf Männer und acht Frauen, alle Kommunisten. Hintereinander wurde an jedem Strang eine Maifeier abgehalten. Wir standen kurz vor den Verhandlungen, und fast alle von uns im vierten Stock mussten an jenem 1. Mai damit rechnen, dass es ihr letzter wäre. Wir eröffneten die Feier mit einem Gedicht. Hedy Urach hielt eine ermutigende Festansprache. Ich selbst hielt eine kurze Rede über die Stellung der Frau in der Sowjetunion. Zum Schluss sangen wir alle die 'Internationale'. Nur im Gefängnis konnte in Österreich am 1. Mai 1942 noch die 'Internationale' gesungen werden. Eine unvergessliche Feier."

    Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000)
  • Schütte Lihotzky über die Inhaftierungsgründe: "Viele der ganz jungen Frauen, denen ich im Gefängnis Schiffamtsgasse begegnet bin, gehörten dem Kommunistischen Jugendverband an und hatten innerhalb dieser Organisation illegal gearbeitet. An erster Stell gedenke ich der hübschen, schlanken Poldi Kovarik. Sie hatte die Idee, junge Menschen müssten an junge Menschen, an Soldaten schreiben und ihnen die Sinnlosigkeit des Mordens erklären. Es müsse ihnen zu Bewusstsein kommen, dass sie bloß Werkzeuge in einem verbrecherischen Eroberungskrieg waren. Die Widerstandsbewegung hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine Reihe gut organisierter Soldatengruppen an der Front und in den Kasernen. Die 'Soldatenbriefe' gingen an diese Gruppen zur Verteilung und an einzelne Feldpostnummern, von denen sich die Jugend größere Listen beschafft hatte. Poldi wurde verhaftet. Diese jungen Menschen wollten ihren Teil dazu beitragen, dass der Krieg rasch verlorengehe, damit noch möglichst viele Menschenleben gerettet werden und ein selbstständiges Österreich wiedererstehen könne. Poldi wurde im Wiener Landesgericht, 23 Jahre alt, enthauptet. Die Briefaktion ging auch nach Poldis Verhaftung weiter, die Soldatenarbeit konnte nie ganz abgewürgt werden."

    Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000)
  • "Am ersten Morgen nach meiner Verhaftung um vier Uhr früh wurde ich in eine Einzelzelle gebracht. In solche, nur für einen Menschen bestimmte, schmalen Gefängniszellen pferchten sie damals zwei oder drei Häftlinge. Waren wir zu dritt, musste eine herumgehen, weil es nur zwei Sitzplätze gab. An der einen Längswand gab es ein Klappbett mit Strohsack. Es wurde nur abends von der Aufseherin heruntergelassen und um fünf Uhr früh, sofort nach dem Aufstehen, wieder an die Wand geklappt und mit Schloss und Schlüssel abgesperrt. An der anderen Längsseite gab es ein Klapptischchen mit einem ,Armsünderbankerl‘ und ein kleines Hängegestell. (…) Viele Stunden des Tages saß man in der stockdunklen Zelle auf dem 'Armsünderbankerl' oder ging hin und her, fünf Schritte hin, fünf Schritte her."

    Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000)
  • "Wenn ich bei der Verhandlung mit dem Leben davonkomme, dann dauert das Gefängnisleben für mich sehr lange. Länger als zwei Jahre halte ich so ein Leben körperlich nicht aus. Um aber durchzuhalten, muss ich alles einigermaße Essbare, das durch die Klapp hereinkommt, durch den Schlund pressen. Die ersten drei Tage habe ich alles erbrochen, doch ich hörte nicht auf, selbst das Ekligste hinunterzuwürgen."

    Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000)
  • "Zu den Verhören brachte man mich im Gefangenenwagen. Nur einmal durfte ich zu Fuß unter strengster Bewachung zum Morzinplatz gehen."

    Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000)
  • "Eine große Erregung gab es allerdings immer beim Herausholen aus der Zelle, da man doch nie wusste, was einen erwartete."

    Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000)

Landesgericht

Das alte Landesgericht von Wien ist längst vergessen.

1839 erhielt Wien ein neues Gerichtsgebäude. Es wurde von dem Architekten Johann Fischer von Erlach erbaut. Jahrhundertelang war die "Schranne" am Hohen Markt der Sitz des Stadt- und Landgerichts von Wien. Vor dem Gerichtsgebäude, von dessen Balkon aus die Urteile verlesen wurden, stand damals der Pranger.

Das Landesgericht Wien wurde während der NS-Zeit zur Hinrichtungsstätte

Auch das neue Landesgericht steht vor allem in den Jahren 1938 bis 1945 für viele Todesurteile. Über 1.200 Menschen wurden damals im Landesgericht Wien hingerichtet. Die Hinrichtungen wurden ab Herbst 1938 vorwiegend mit dem Fallbeil vollzogen, das im Hinrichtungsraum im Erdgeschoß aufgestellt war. In diesem Raum ist heute eine Gedenkstätte eingerichtet, die nach Voranmeldung besichtigt werden kann.

Hatte die Gerichtsverhandlung im Landesgericht Wien selbst stattgefunden, wurden die Verurteilten in den "Armesünderzellen" im Erdgeschoß untergebracht. Angehörige bemühten sich in den folgenden Wochen und Monaten um eine Begnadigung – "Gnadengesuch an den Führer". War eine Begnadigung abgelehnt worden, wurde der Zeitpunkt der Hinrichtung festgelegt. Die Todeskandidat:innen erfuhren dies erst kurz davor, ihre Angehörigen überhaupt nicht.

Am Tag der Hinrichtung, die meist ab 18 Uhr stattfand, erhielten sie Papier und Bleistift, um noch einen letzten Abschiedsbrief schreiben zu können. Einige von diesen Briefen befinden sich noch heute in den Gerichtsakten.

Das Mahnmal "369 Wochen" am Wiener Landesgericht für Strafsachen erinnert erst 70 Jahre danach - seit April 2015 - an die Opfer der NS-Justiz. Das Denkmal und die Inschrift entstanden auf Initiative der Widerstandskämpferin Käthe Sasso und markieren den Zeitraum der NS-Herrschaft in Wien: 369 Wochen.

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